Kapitel 9. Lizenzen, Urheberrecht[59] und Patente

Inhaltsverzeichnis

Terminologie
Lizenzaspekte
Die GPL und Lizenz-Kompatibilität
Die Wahl einer Lizenz
Die MIT- / X-Window-System-Lizenz
Die GNU GPL
Ist die GPL frei oder nicht frei?
Wie sieht es mit der BSD-Lizenz aus?
Zuweisung von Urheberrechten
Keine Zuweisung von Urheberrecht
Lizenzvereinbarung der Beitragenden (CLA)
Übertragung vom Urheberrecht
Doppelte Lizenzierung
Patente
Weitere Quellen

Die Lizenz die man auswählt hat vermutlich keinen großen Einfluss auf die Einführung des Projektes, solange es eine Open-Source-Lizenz ist. Benutzer wählen Software aufgrund von Qualität und Funktionalität, und nicht wegen Lizenzdetails aus. Trotzdem sollte man ein Grundverständnis über Open-Source-Lizenzen haben um einerseits sicherzustellen, dass die Lizenz zu den Zielen des Projektes passt und andererseits um in der Lage zu sein mit anderen über die Lizenz zu reden. Bitte beachtet, dass ich kein Anwalt und dass dieses Kapitel nicht als juristischer Rat zu sehen ist. Dafür braucht man einen Anwalt oder sollte selbst einer sein.

Terminologie

In jeder Diskussion über Open-Source-Lizenzen stellt man zunächst fest, dass es viele Begriffe für die gleiche Sache gibt: Freie Software, Open Source, FOSS, F/OSS, und FLOSS. Wir beginnen damit, diese und einige andere Begriffe zu klären.

Freie Software

Software, die auch im Quelltext frei verteilt und modifiziert werden kann. Der Begriff wurde zuerst von Richard Stallman geprägt, der das Prinzip in der GNU General Public License (GPL) festschrieb, und der die Free Software Foundation (http://www.fsf.org/) gründete um das Konzept bekannt zu machen.

Obwohl "Freie Software" ungefähr genau soviel Software umfasst wie "Open Source", bevorzugen die FSF und viele andere den Begriff "Freie Software", da er die Idee von Freiheit betont und das Konzept frei verteilbarer Software vor allem als gesellschaftliche Bewegung sehen. Die FSF sieht dass der Begriff zweideutig ist – es könnte auch "umsonst" bedeuten, anstatt "frei" wie in "Freiheit" – findet aber dennoch, dass es alles in allem am besten passt, da andere Varianten im Englischen eigene Zweideutigkeiten haben. (In diesem Buch wird "frei" immer im Sinne von "Freiheit" verwendet, nicht im Sinn von "umsonst".)

Open Source Software

Freie Software unter einem anderen Namen. Doch der Name spiegelt einen wichtigen philosophischen Unterschied wieder: "Open Source" wurde geprägt durch die Open Source Initiative (http://www.opensource.org/) als eine durchdachte Alternative zu "Freier Software" um diese attraktiver für Unternehmen zu machen; als Entwicklungsmethode und nicht als politische Bewegung. Vielleicht wollte man auch ein anderes Stigma verschwinden lassen, nämlich dass alles was nichts kostet auch von schlechter Qualität ist.

Obwohl jede freie Lizenz auch "Open Source" ist, und bis auf wenige Ausnahmen auch andersherum, bleiben die meisten Leute bei einem Begriff. Meistens haben diejenigen die "Freie Software" verwenden einen eher politischen oder moralischen Standpunkt, während die die "Open Source" bevorzugen es entweder nicht als eine Frage der Freiheit sehen oder kein Interesse haben, es nach außen zu zeigen. Siehe auch „"Frei" kontra "Open Source"“ in Kapitel 1, Einleitung für eine genauere Geschichte dieses Schismas.

Die Free Software Foundation hat eine vorzügliche – fürchterlich unobjektive, aber nuancierte und recht faire – Herkunft der beiden Begriffe unter http://www.fsf.org/licensing/essays/free-software-for-freedom.html veröffentlicht. Die Open Source Initiative verteilt ihre Sicht auf zwei Seiten: http://www.opensource.org/advocacy/case_for_hackers.php#marketing und http://www.opensource.org/advocacy/free-notfree.php.

FOSS, F/OSS, FLOSS

Wo zwei sind, darf ein drittes nicht fehlen. Genau dies passierte mit Begriffen für freie Software. Akademiker, die vielleicht präzise und umfassende Begriffe gegenüber eleganten bevorzugen, scheinen sich auf FOSS oder F/OSS für "Freie / Open Source Software" zu einigen. Eine andere Variante ist FLOSS für "Freie / Libre Open Source Software" (libre steht in vielen Sprachen für "frei" jedoch ohne die Zweideutigkeiten; siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/FLOSS.

All diese Begriffe bedeuten eigentlich das gleiche: Software die von jedem verändert und verteilt werden kann, manchmal – aber nicht immer – mit der Einschränkung, dass abgeleitete Arbeiten wieder unter den gleichen Bedingungen verteilt werden.

DFSG-verträglich

Verträglich mit den Debian-Richtlinien für Freie Software (Debian Free Software Guidelines) (http://www.debian.org/social_contract.de.html#guidelines). Dies ist ein weit verbreiteter Test um zu prüfen ob eine Lizenz wirklich frei (open source, libre, etc.) ist. Das Ziel des Debian-Projekts ist ein vollständig freies Betriebssystem, so dass niemand der es installiert daran zweifeln muss ob er das Recht hat einen Teil oder das ganze System zu verändern oder zu verteilen. Die Debian-Richtlinien für Freie Software bestimmen die lizenzrechtlichen Anforderungen die eine Software erfüllen muss um in Debian aufgenommen zu werden. Da das Debian-Projekt gründlich darüber nachgedacht hat, wie man so einen Test erstellt, kamen dabei sehr robuste Richtlinien (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/DFSG) heraus, und soweit ich weiss, gibt es weder von der Free Software Foundation noch von der Open Source Initiative ernsthafte Bedenken dagegen. Wenn man weiss, dass eine Lizenz DFSG-verträglich ist, kann man sicher sein, dass sie alle wichtigen Freiheiten einräumt (z.B. die Möglichkeit ein neues Projekt abzuspalten, auch gegen den Willen des Originalautors. Alle hier diskutierten Lizenzen sind verträglich mit der DFSG.

OSI-approved

Anerkannt durch die Open-Source-Initiative. Dies ist ein anderer oft verwendeter Test ob eine Lizenz alle nötigen Freiheiten erlaubt. Die OSI-Definition von Open-Source-Software basiert auf den DFSG, und beinahe jede Lizenz die die eine Definition erfüllt, erfüllt auch die andere. Über die Jahre gab es einige Ausnahmen, die aber nur seltene Lizenzen betrafen und keine von diesen ist hier relevant. Im Gegensatz zum Debian Projekt hat die OSI eine Liste aller jemals anerkannten Lizenzen unter http://www.opensource.org/licenses/. Damit ist "OSI-anerkannt" eindeutig: Entweder eine Lizenz ist auf der Liste oder eben nicht.

Die Free Software Foundation stellt auch eine Liste mit Lizenzen unter http://www.fsf.org/licensing/licenses/license-list.html zur Verfügung. Die FSF ordnet die Lizenzen aber nicht nur danach ein, ob sie frei sind, sondern auch danach ob sie kompatibel mit der GNU General Public License ist. Kompatibilität mit der GPL ist ein wichtiges Thema, das in „Die GPL und Lizenz-Kompatibilität“ später in diesem Kapitil besprochen wird.

Proprietär, Closed Source

Das Gegenteil von "Frei" oder "Open Source". Es steht für Software die unter traditionellen, kostenpflichtigen Lizenzbedingungen (Der Nutzer zahlt pro Kopie der Software) ausgeliefert werden oder zu Bedingungen die restriktiv genug sind, die Dynamik von Open Source zu unterbinden. Auch Software die "umsonst" zur Verfügung gestellt wird, kann proprietär sein, wenn die Lizenz die freie Verteilung und Veränderung der Software verbietet.

Im allgemeinen sind "proprietär" und "Closed Source" synonym. "Closed Source" impliziert jedoch , dass der Quellcode nicht einmal eingesehen werden kann. Da dies bei der meisten proprietären Software so ist, werden die beiden Varianten meistens nicht unterschieden. Manchmal wird jedoch proprietäre Software veröffentlicht, deren Lizenz es erlaubt, den Quellcode einzusehen. Verwirrender Weise wird dies dann auch "Open Source" oder "Fast Open Source" genannt, doch das ist irreführend. Die Sichtbarkeit des Quellcodes ist nicht entscheidend; wichtig ist was man damit tun darf. Die Unterschiede zwischen "proprietär" und "Closed-Source" sind also irrelevant, und man kann die Begriffe synonym verwenden.

Manchmal wird kommerziell als Synonym für proprietär verwendet, doch genaugenommen ist das nicht dasselbe. Denn Freie Software kann verkauft werden, solange die Käufer ihre Kopien weitergeben dürfen. Sie kann auch auf anderen Wegen kommerzialisiert werden, zum Beispiel durch Support-Verträge, Dienstleistungen und Zertifizierungen. Es gibt millionenschwere Unternehmen die mit freier Software Geld verdienen, sie richtet sich also weder gegen Kommerzialisierung, noch gegen Unternehmen. Andererseits ist sie von Natur aus gegen proprietäre Software. Dies ist der Punkt warum sie sich von althergebrachten "pay per copy" Lizenzmodellen unterscheidet.

public domain

Niemand hat das Recht, das Kopieren der Software einzuschränken. Dies bedeutet aber nicht, dass die Software keinen Urheber hat. Der Urheber macht aber von seinen Verwertungsrechten keinen Gebrauch. Die Tatsache, dass er die Rechte der Öffentlichkeit einräumt, ändert nichts an seiner Urheberschaft.

Wenn eine Arbeit "public domain" ist, können Teile davon in anderen lizenzgeschützten Werken benutzt werden. Dann steht diese Kopie der Arbeit unter derselben Lizenz wie das Gesamtwerk. Das betrifft aber nicht die Verfügbarkeit der Originalarbeit die immer noch "public domain" ist. Etwas der Öffentlichkeit zu übergeben ist also ein Weg eine Software "frei" zu machen, gemäß den Richtlinien der meisten Organisationen die freie Software zertifizieren. Trotzdem gibt es gute Gründe, eine Lizenz zu verwenden, statt die Software einfach mit allen Rechten und ohne Pflichten herauszugeben: Selbst bei freier Software können Einschränkungen sinnvoll sein, nicht nur für den Urheber, sondern auch für den Lizenznehmer, wie der nächste Abschnitt zeigt.

copyleft

Eine Lizenz, die das Urheberrecht verwendet um den entgegengesetzten Effekt zu erzielen. Je nach dem wen man fragt, sind Lizenzen gemeint, die die Rechte die wir hier diskutieren einräumen, oder genauer: Lizenzen die diese Rechte nicht nur einräumen sondern sie erzwingen, indem sie verlangen, dass diese Rechte mit der Arbeit wandern. Die FSF verwendet ausschließlich die zweite Form; ansonsten steht es Unentschieden: Viele verwenden den Begriff wie die FSF, andere – auch Autoren der Massenmedien – verwenden die erste Variante. Der Unterschied zwischen den Varianten ist vielen aber nicht klar.

Das bekannteste Beispiel für die genauere Definition ist die GNU General Public License, die verlangt, dass jede abgeleitete Arbeit wieder unter der GPL stehen muss; siehe „Die GPL und Lizenz-Kompatibilität“ weiter unten .



[59] Im Wesentlichen ist hiermit das im Angloamerikanischen Raum verbreitete "Copyright" gemeint, auch wenn diese nicht ganz mit dem Deutschen Urheberrechtsgesetz vergleichbar ist, werden hier im weiteren nicht zwischen beiden Unterschieden.